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    Raul Endymion Raul Endymion ist offline

    Ilium / Olympos - Dan Simmons




    Und heute gibt es mal wieder eine Rezension zu einem großartigen Werk, des von mir so hochgeschätzten Dan Simmons.
    Neben verschiedensten Werken im Bereich Horror, Phantastik und Science-Fiction, hat er sich auch an Krimis, Historienromanen und ganz normalen Romanen versucht. Jedoch ist er als Genreautor im Bereich Horror und Science-Fiction einfach am Besten.

    Hierzu muss ich eigentlich nochmal hervorheben, dass ich gar nicht so der große Sci-Fi Leser bin.
    Aber wenn es ein begnadeter Schreiberling schafft, mich mit ausgefallenen Geschichten und einem phänomenalen Einfallsreichtum derart zu überzeugen, dass ich alle Bezüge zu unseremm Realitätsverständnis verliere, dann bin ich dabei. Vor allem wenn man, wie von Simmons gewohnt, ein überbordendes und monumentales Epos geboten bekommt. Simmons Werk, zu beziehen in den beiden Romanen ILLIUM und OLYMPOS, basiert auf der "Ilias" vom guten alten Homer.
    Hiermit sind die Startkriterien für eine gewisse Monumentalität wohl zweifelsfrei gegeben.



    Die Handlung von ILLIUM/OLYMPOS beginnt mit drei Erzählsträngen:

    Professor Hockenberry, ein Historiker und Spezialist für Homer wird in der fernen Zukunft, ohne Erinnerung an seine Vergangenheit wiedergeboren.
    Die Götter der griechischen Antike haben ihn wiederbelebt, damit er in ihrem Auftrag die Geschehnisse der bevorstehenden Schlachten um Troja beobachtet und ihnen davon berichtet.
    Hockenberry befindet sich daher unsichtbar auf den Schlachtfeldern von Troja uner erlebt dort hautnahe die blutigen Kämpfe
    um die Stadt und begegnet dort auch solche bekannten Figuren wie Achilles, Odysseus und Konsorten. Doch erstaunlicherweise findet diese Wiederholung der Schlacht um Troja nicht auf der Erde, sondern auf dem Mars statt. Und die griechischen Götter wohnen nicht auf dem Olymp, sondern auf dem Olympos Mons, dem höchsten berg des Mars.
    Doch warum scheint dies niemandem außer Hockenberry aufzufallen?


    Auf der Erde leben in der Zwischenzeit nur noch einige hunderttausend Menschen in vollautomatisierten Städten. Völlig faul und dekadent leben sie jeweils ohne Arbeit 100 Jahre lang einfach so in den Tag hinein, um dann zu den Ringstädten der Altmenschen im Weltraum aufzufahren. Zumindest glauben sie das. Um sie herum wuseln lauter seltsame roboterartige, metallische Hilfswesen, die Voynixe, die sich um alles von
    Essenszubereitung, Müllentsorgung, Reperaturen und was sonst noch so an "Arbeit" anfällt, kümmern. Die wenigen Städte die sich noch auf der Erde befinden sind mit Faxknoten-Teleportationspunkte miteinander verbunden. Wirklich bewegen muss sich also auch kein Mensch mehr.
    Ausserhalb der Städte ist die gesamte Welt eine Art Dschungelgebiet, in dem sich sogar Dinosaurier herumtreiben. Die Menschen leben einfach so vor sich hin und hinterfragen nicht einmal die ganze sie umgebende Technik und auch niemand weiß warum sie eigentlich funktioniert und woher sie kommt. Nur ein einziger Mensch mit dem Namen Harman stellt sich diese Fragen. Und kurz vor seinem neunundneunzigsten Geburtstag will er wissen was ausserhalb seines Luxusleben ist. Er will herausfinden was die Ursache für ihre Lebensweise ist und möchte vorzeitig die Ringstädte der Altmenschen im All erkunden.
    Was er entdecken wird, sprengt selbst die abscheulichsten Höllenvisionen.


    Auf den Monden des Planeten Jupiter arbeiten derweil seltsame, hochintelligente biomechaniche Wesen die sich Moravecs nennen. Wenn sie nicht am Arbeiten sind philosophieren sie über die literarischen Werke von Marcel Proust oder William Shakespeare. Als sie jedoch auf dem Mars schwere Gravitationsstörungen wahrnehmen, machen sie sich auf den Weg um diese zu erforschen. Denn diese Gravitationsstörungen gefärden die Stabilität des ganzen Sonnensystems und könnten der Auslöser für dessen Untergang sein.


    Hört sich verzwickt an? - Ist es am Anfang auch.
    Aber Simmons zaubert aus diesen augenscheinlich völlig verschieden Erzählsträngen wieder einmal ein großartiges Drama, dass an Einfallsreichtum seinesgleichen sucht. Denn obwohl man es sich kaum vorstellen kann, diese drei Erzählstränge laufen letztendlich zusammen.

    Seltsam mutet es an, wenn sich biomechanische Wesen philosophisch mit Prousts Hauptwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" beschäftigen. Genauso wie eine Menschheit die die Fähigkeit zur Kritik und zum Hinterfragen verloren zu haben scheint. Oder wenn die Griechen und Trojaner auf einmal die Schnauze voll haben und sich gegen nanotechnisch aufgerüstet Götter verbünden. Tja da knallts im Pantheon.

    Beispiel gefällig?

    Ares, der Gott des Krieges, kämpft gegen Achilles den größten Held der Griechen.

    Ares und Achilles prallten wie kollidierende Berge aufeinander. Das Beben warf Hunderte von Trojanern, Griechen und Göttern zu Boden.
    Ares wich als Erster zurück. Er hob sein rotes Schwert und schwang es in einem gewaltigen Hieb, um diesen sterblichen Emporkömmling zu enthaupten. Achilles duckte sich unter der Klinge weg, durchbohrte den Kriegsgott und schnitt durch göttliche Rüstung und göttliches Gedärm, bis Ares Bauch aufplatzte. Goldener Ichor bedeckte den Sterblichen wie den Unsterblichen und die göttlichen Eingeweide des Kriegsgottes ergossen sich auf den roten marsianischen Stechginster.
    Zu verblüfft, um zu fallen, zu empört, um zu sterben, starrte Ares seine eigenen Innereien an, die immer noch aus ihm hervorquollen und in den Dreck schlitterten.
    Achilles langte nach oben, packte Ares am Helm und zerrte ihn ruckartig herunter und nach vorn, bis sein menschlicher Speichel die perfekten Züge des Gottes bespritzte.
    "Schmeckst du den Tod, du kraftloses Abbild?"
    Dann hackte er Ares wie ein Marktschlachter am Beginn eines langen Arbeitstages erst die Hände an den Handgelenken, dann die Beine über den Knien und schliesslich die Arme ab.

    Dann begann sein Gemetzel an den Göttern und Göttinen erst richtig.

    Ja, sowas nennt man wohl eine etwas freier interpretierte Version von Homer`s Ilias.
    Solche und noch viele Weitere "WTF?"-Momente haut uns Simmons hier um die Ohren. Doch auch das was die letzten Menschen auf der Erde so erleben, nachdem Harmann die Mechanismen seiner Welt hinterfragt, geht gut und gerne als knallharter Horror-Roman durch.

    Im ersten Band geht es recht temporeich vorwärts, trotz der gut 1000 Seiten. Im zweiten Band werden die einzelnen Erzählstränge dann richtig miteinander verwebt und die Hintergründe genauer beleuchtet und dies führt uns letztendlich zu einem (temporären?) Finale. Simmons lässt sich hier viele Optionen offen. Einerseits kann dies auch gut das Ende darstellen und vieles der Interpretation des Lesers überlassen werden. Andererseits hat sich Simmons auch nach seinen beiden Hyperion Romanen einige Jahre Zeit gelassen um dann alle restlichen Fragen in den beiden Endymion Romane abzuhandeln.

    Auf dem Buchrücken der deutschen Ausgaben prangt groß:
    "Dan Simmons ist der bedeutenste, mythenschaffende Schriftsteller unserer Zeit!"

    Und dem kann ich nur zustimmen.

    Simmons hat hiermit wieder einmal unter Beweiß gestellt, dass ihm in seiner Vielfälltigkeit als Schriftsteller und mit seinem schier unerschöpflich erscheinenden Einfallsreichtum, kaum jemand das Wasser reichen kann.
    Für mich war die Lektüre fast genauso spannend wie bei Hyperion&Endymion obwohl wir es hier mit einer völlig anderen Geschichte zu tun haben.
    Die Ideen die Simmons hier miteinander vermischt sind einfach nur einzigartig. Wer würde sonst schon auf die abgefahrene Idee kommen die Ilias wieder auf dem Mars "aufzuführen" und sich dies von einem Historiker überwachen zu lassen. Spätestens nachdem Hockenberry versucht, den "Lauf der Geschichte" zu beeinflussen war ich Hin und Weg von dem Buch.
    Noch nie war die Geschichte des trojanischen Krieges so unterhaltsam und doch bis zu einem bestimmten Punkt so akkurat.

    Sprachlich wie erzählerisch schwimmt Simmons hier durch unterschiedlichste Gewässer. Von derbsten Schlachtszenen, Sci-Fi Spielereien, Sexszenen und außerirdischen Androiden die sich über Shakespeare und Proust auslassen und Figuren aus Shakespeares "Der Sturm" die auf einmal auftauchen, wird einem hier wirklich alles geboten. Und trotz all der spannenden und derben Erzählungen kommt auch der Humor nicht zu kurz.
    Drei eigentlich vollkommen verschiedene Geschichten, die sich unglaublicherweise doch so gut ergänzen.

    Insgeheim hoffe ich ja auf einen weiteren Roman, der sich mit den noch offenen Handlungsfäden beschäftigt und dieses Universum weiterspinnt. Aber auch hiermit bin ich mehr als nur zufrieden.


    Fazit:
    Der wohl abgefahrendste Remix von Homer's "Ilias" und Shakespeare's "Der Sturm" garniert mit Sci-Fi und Endzeit Elementen und angerichtet in einem grandiosen Epos!

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